Lutherstadt Wittenberg, 31. Oktober 2025
Wenn sich die Oktobersonne über die Dächer der Altstadt senkt, wenn Bratenduft durch die Straßen zieht und die Schlosskirche im goldenen Abendlicht glänzt, dann weiß man: In Wittenberg ist Reformationstag. Und nirgendwo auf der Welt wird dieser Tag so gefeiert wie hier, an jenem Ort, an dem Martin Luther 1517 mit einem Hammerschlag Geschichte schrieb!

Unter dem Motto „Wittenberg leuchtet“ erinnerte die Stadt 2025 nicht nur an den Beginn der Reformation, sondern auch an 500 Jahre Friedrich der Weise, den Kurfürsten, ohne den Luther vielleicht nie überlebt hätte. Es war ein Tag voller Klang, Licht, Geschichte und Leidenschaft.

Die Glocken der Schlosskirche und Worte, die bewegen
Schon am Morgen war die Stadt erfüllt vom Klang der Glocken. Der erste große Festgottesdienst um 11 Uhr in der Schlosskirche, jener weltberühmten Thesentür-Kirche, war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein hielt die Predigt, begleitet von Pfarrer Fabian Mederacke, der die Liturgie gestaltete. Eckstein sprach über die Freiheit des Glaubens, über Mut und Verantwortung: „Luther hat nicht gegen die Kirche gekämpft, sondern für die Wahrheit. Reformation heißt, den Mut zu haben, sich zu verändern, auch wenn die Welt dagegensteht.“

Seine Worte hallten lange nach. Und als die Gemeinde gemeinsam „Ein feste Burg ist unser Gott“ sang, schien für einen Moment die Zeit stillzustehen.
Wenig später sprach Bischöfin Kirsten Fehrs in der Schlosskirche, jener Kirche, an der Luther seine 95 Thesen anschlug. Sie verband Vergangenheit und Gegenwart, Theologie und Menschlichkeit: „Die Reformation war nie nur eine Sache der Theologen, sondern eine Bewegung der Herzen. Sie hat Menschen befreit, und sie kann es noch immer tun.“


Der Historischer Markt war eingehüllt in Düfte, Stimmen, Farben und Feuer
Draußen vor den Kirchen herrschte schon seit dem Vormittag buntes Treiben. Der Historische Marktplatz verwandelte sich in ein Meer aus Farben, Klängen und Gerüchen. Handwerker schlugen Eisen, Drechsler drehten Holz, Töpfer glasierten ihre Waren, und die Luft war erfüllt vom süßen Duft von Honigkuchen, gerösteten Nüssen und frisch gebackenem Fladenbrot.
Kinder saßen begeistert an der Drechselbank, Touristen probierten sich im Kalligraphieren alter Schriften, und zwischen den Buden erklangen Lauten, Dudelsäcke und Trommeln. Gaukler jonglierten mit Feuerfackeln, während Spielleute auf der kleinen Bühne Lieder aus Luthers Zeit sangen.


„Wir wollen zeigen, dass Geschichte leben kann“, sagte Schaustellerin Anna Riedel aus Leipzig, die seit 20 Jahren auf dem Reformationsfest mit ihrem mittelalterlichen Süßwarenstand steht. „Hier spürt man, dass das, was Luther begann, bis heute Menschen zusammenbringt.“
Auf dem Kirchplatz boten Winzer aus der Saale-Unstrut-Region ihren jungen Wein an, Mönche aus Wittenberger Klöstern servierten dunkles Bier nach historischem Rezept, und am Elbufer brutzelten Spießbraten über offenem Feuer. Alles roch nach Heimat, Handwerk und Herbst.


Klangthesen, Lichtkunst und ein Fest für alle Sinne
Am Nachmittag wurde die Installation „Wittenberger Klangthesen“ auf dem Bunkerberg eröffnet. Die 95 Thesen Luthers waren dort als Klanglandschaft inszeniert, gesprochen, gesungen, geflüstert, mit Orgel, Elektronik und Glockenklang verwoben. Besucher standen still, manche mit geschlossenen Augen, und ließen die Worte wirken, die einst eine Zeitenwende auslösten.
Als die Dunkelheit kam, begann der große Lichterumzug vom Lutherhaus über die Collegienstraße bis zur Schlosswiese. Hunderte Laternen glühten, Lichtbänder schimmerten, Musik erfüllte die Gassen. Kinder trugen Papierlaternen mit Lutherrosen, Familien hielten Kerzen, und über allem lag eine friedliche, fast feierliche Stimmung.
„Dieses Licht verbindet uns“, sagte Oberbürgermeister Torsten Zugehör, als er den Umzug auf der Schlosswiese begrüßte. „Es erinnert uns daran, dass die Reformation nicht in der Dunkelheit des Mittelalters verharrte, sondern ein neues Licht brachte – das Licht der Erkenntnis und der Freiheit.“

Luther, die Thesen und die Stadt, die Geschichte atmet

Kaum eine Stadt in Europa trägt ihre Geschichte so offen im Gesicht wie Wittenberg. Zwischen den Fachwerkfassaden und Renaissancehäusern, zwischen Lutherhaus, Melanchthonhaus und Schlosskirche spürt man den Geist des Aufbruchs, der einst von hier ausging.

Als Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen verfasste, wollte er keine neue Kirche gründen. Er wollte Missstände aufzeigen, den Handel mit dem Ablass, der das Heil käuflich machte, und die Angst, mit der Gläubige kontrolliert wurden. Doch seine Worte trafen den Nerv der Zeit. Von Wittenberg aus verbreiteten sich seine Ideen in Windeseile durch das Reich, befeuert von der neuen Erfindung des Buchdrucks.
Heute, mehr als fünf Jahrhunderte später, ist die Lutherstadt ein Symbol für Gewissensfreiheit, Bildung und Verantwortung. Die UNESCO-Welterbestätten erzählen nicht nur von der Vergangenheit, sondern inspirieren zu neuen Perspektiven.

Friedrich der Weise war der stille Held im Schatten Luthers
2025 stand in Wittenberg auch Friedrich der Weise im Mittelpunkt, Luthers Landesherr und Schutzpatron. Der Kurfürst, der Luther nach dem Wormser Edikt auf der Wartburg versteckte, wurde mit einer feierlichen Kranzniederlegung auf dem Schlosskirchhof geehrt. Im Stadtmuseum zeigte eine Sonderausstellung seine Bedeutung für den Fortgang der Reformation.
„Friedrich hat Luther nicht gerettet, weil er Theologe war, sondern weil er Mensch war“, sagte Oberbürgermeister Zugehör in seiner Rede. „Er hatte den Mut, auf sein Gewissen zu hören – und genau das brauchen wir heute mehr denn je.“


Ein Fest zwischen Himmel und Erde
Am Abend verwandelte sich die Altstadt in ein leuchtendes Spektakel: Laserstrahlen tauchten die Schlosskirche in goldenes Licht, über dem Marktplatz tanzten Projektionen historischer Szenen, und die Fassade des Rathauses wurde zur Leinwand für eine multimediale Reformationsgeschichte.
Zwischen Licht, Musik und Menschenmengen mischte sich ein Gefühl von Stolz und Nachdenklichkeit. Wittenberg zeigte sich als Stadt, die sich ihrer Wurzeln bewusst ist – und sie zugleich neu interpretiert.

Fazit
Der Reformationstag 2025 in Wittenberg war kein bloßes Erinnern, er war ein lebendiges Bekenntnis zu Mut, Glauben und Wandel. Zwischen Gauklern und Geistlichen, zwischen Klangkunst und Kerzenschein zeigte sich, dass die Reformation keine abgeschlossene Epoche ist, sondern ein fortwährender Prozess: die ständige Suche nach Wahrheit, Freiheit und Licht.

Einige Martin Luther- Zitate:
- Kinder sind das lieblichste Pfand der Ehe, sie binden und erhalten das Band der Liebe.
- Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken.
- Wer etwas haben will, muss auch etwas geben.
- Ihr könnt predigen, über was ihr wollt, aber predigt niemals über vierzig Minuten.
- Die Lüge ist wie ein Schneeball: Je länger man sie fortwälzt, je größer wird sie.
- Das Leben der Kinderlein ist am allerseligsten und besten; denn sie haben keine zeitliche Sorge.
- Es ist keiner so geschwind, der nicht seinen Meister findt‘.
- Das passt wie die Faust aufs Auge.
- Nichts wird langsamer vergessen als eine Beleidigung und nichts eher als eine Wohltat.
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Bilder und Text: Klaus-Dieter Richter
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