Die Currywurst: Geschichte, Regionalität und der mit oder ohne „Darm-Streit“

Die Currywurst ist mehr als nur ein Snack, sie ist ein Kulturgut, das die Geschichte Berlins und Deutschlands auf unverwechselbare Weise widerspiegelt. Ihre Erfindung, die regionale Vielfalt und sogar die Frage „mit oder ohne Darm?“ erzählen von gesellschaftlichen Umbrüchen, Nachkriegsgeschichte und geteiltem Berlin.

Die Geburtsstunde einer Ikone

Die Erfindung der Currywurst wird offiziell der Berliner Imbissbetreiberin Herta Heuwer zugeschrieben. Im Jahr 1949, inmitten des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, experimentierte sie mit Zutaten, die ihr britische Soldaten brachten: Currypulver, Tomatenmark und Worcestersoße. Daraus entstand ihre „Chillup“-Soße, die sie auf gebratene Brühwürste goss. Am 4. September 1949 eröffnete sie ihren kleinen Imbiss an der Kantstraße in Charlottenburg, wo die Wurst zum Renner wurde.

Bis heute gibt es keine Dokumente, die diese Erfindung widerlegen, und Herta Heuwer ließ ihre Soße 1959 sogar patentieren, ein eindeutiger Beleg für ihre Innovation.

Hamburg, Ruhrgebiet und die weite Verbreitung

Während Berlin die Erfindung für sich beansprucht, gibt es auch Stimmen aus Hamburg, die behaupten, dort sei schon früher eine Variante der Currywurst entstanden – allerdings ohne handfeste Beweise. Im Ruhrgebiet wurde die Currywurst ab den 1950er Jahren vor allem als preiswerter Imbiss für Bergarbeiter populär, die sie als stärkende Mahlzeit schätzten. Die Currywurst wurde dort zur Kultfigur, beispielsweise durch das Lied von Herbert Grönemeyer.

Darm-Streit: Warum Ost-Berlin ohne, West-Berlin mit Darm?

Ein besonders markanter Unterschied innerhalb Berlins ist die Frage:

Mit oder ohne Darm?

  • Im Westen Berlins ist die klassische Currywurst meist eine Bratwurst mit Darm. Das bedeutet, die Wurst wird im natürlichen Schweinedarm gebraten, was ihr eine leicht festere, knackige Hülle verleiht. Das Ergebnis ist ein intensiveres Bratwurst-Erlebnis mit angenehmem Biss.
  • Im Osten Berlins hingegen bevorzugt man die Currywurst traditionell ohne Darm – die sogenannte „Dosenwurst“ oder „Skinless Wurst“. Hierbei handelt es sich meist um eine feinere Brühwurst, die ohne Darm in einer Dose oder Plastikhaut verkauft wird. Sie wird gebraten oder frittiert und danach in Stücke geschnitten und mit Soße übergossen.

Warum dieser Unterschied? Der Ursprung liegt in der Geschichte des geteilten Berlins:

  • Ost-Berlin (DDR) hatte oft mit Rohstoff- und Versorgungsengpässen zu kämpfen. Natürliche Därme waren knapp, wurden auch für Devisen in den Westen exportiert und die Produktion von Bratwürsten musste somit angepasst werden. Die praktische, leicht zu lagernde und preiswerte Skinless-Wurst wurde zum Standard. Zudem war sie einfacher in der industriellen Massenproduktion herzustellen.

Ob Maximilian Ziervogel, der Gründer von Konnopke’s Imbiss, wirklich der allererste war, der die „Skinless Wurst“ eingeführt hat, lässt sich nicht hundertprozentig belegen, aber seine Rolle als Pionier und Kultfigur für die Ost-Berliner Currywurst ist unbestritten. Konnopke’s Imbiss wurde schnell berühmt für diese Variante, die durch ihre einfache Herstellung und bessere Haltbarkeit gut in die Versorgungssituation der DDR passte.

  • West-Berlin hingegen hatte Zugang zu westlichen Waren und traditionelleren Produkten. Dort blieb die klassische Wurst mit Darm, wie man sie aus dem westdeutschen Raum kennt, die Norm.

Diese Unterschiede wurden nach der Wiedervereinigung teilweise beibehalten und prägen bis heute die regionale Vorliebe.

Konopke an der Schönhauser Allee

Kulinarik der Currywurst: Wurst, Soße und Zubereitung

Die Basis der Currywurst ist die Wurst selbst, die je nach Region und Imbiss variieren kann. Die klassische Brühwurst ist meist eine Mischung aus Schweine- und Rindfleisch, fein gewürzt und entweder mit Darm oder ohne (hautlos). Das Braten der Wurst, häufig auf der Grillplatte oder in der Pfanne, bringt eine appetitliche Kruste hervor.

Das Herzstück ist die Soße jeder Currywurst und variiert stark. Grundsätzlich basiert sie auf einer Tomatenbasis, meist Ketchup oder Tomatenmark, gewürzt mit Currypulver, Paprika, Zwiebeln, Zucker und verschiedenen Gewürzen. Worcestersoße, Senf oder Essig können hinzugefügt werden, um Tiefe und eine ausgewogene Schärfe zu erreichen. Manche Buden fügen Geheimzutaten hinzu, wie Chili, Zimt oder sogar Anis, um die Rezeptur zu individualisieren.

Serviert wird die Currywurst klassisch in Scheiben geschnitten auf einem Pappteller oder in einer Papierschale, großzügig mit einer würzigen Soße übergossen und oft mit zusätzlichem Currypulver bestreut. Dazu gibt es meist Pommes frites, Brötchen oder einfach nur Brot. Je nach Betreiber mit Variationen in verschiedenen Schärfegraden, sogenannter Scoville, angeboten. Scoville ist ein Maß zur Bestimmung der Schärfe von Chilischoten und anderen scharfen Substanzen, basierend auf dem Gehalt an Capsaicin, dem Wirkstoff, der das Schärfeempfinden auslöst.

Kultbuden als Hüter der Tradition

Budenkulturen wie Curry 36 (West-Berlin) oder Konnopke’s Imbiss (Ost-Berlin) sind eng „mit und ohne Traditionen“ verbunden. Curry 36 serviert die klassische Bratwurst mit Darm, während Konnopke’s, berühmt für seine Ost-Berliner Currywurst, die hautlose Variante anbietet. Beide haben ihre treuen Fans und stehen für unterschiedliche Berliner Geschmackswelten. Zu den beliebtesten Berliner Imbissen, die mit jeweils eigenen Rezepturen und regionalen Varianten überzeugen, gehören auch Currywurst Wolf, Witty’s, Biers, Lange Imbiss, Bratpfanne und viele andere sogenannte Buden. Witty’s ist u. a. bekannt für vegane und Bio-Currywurst,

Edle Varianten und Festkultur der Currywurst

Neben der klassischen Imbiss-Version hat sich die Currywurst auch in der gehobenen Gastronomie etabliert. Kreative Köche interpretieren das Kultgericht neu: von hochwertigen Bratwürsten aus regionaler Bio-Produktion über handgemachte Currysaucen mit exotischen Gewürzen bis hin zu raffinierten Beilagen wie hausgemachtem Kartoffelgratin oder Fenchelsalat. Für besondere Anlässe wird die Currywurst sogar mit essbarem Blattgold veredelt und zusammen mit einem Glas erlesenem Champagner serviert – eine luxuriöse Krönung des bodenständigen Klassikers.

Auch bei Festveranstaltungen und Events hat die Currywurst einen festen Platz. Ob Stadtfeste, Musikfestivals oder Firmenfeiern, sie ist eine praktische und beliebte Speise, die schnell und unkompliziert große Mengen sättigt. Als Symbol für Lebensgefühl bringt sie Menschen zusammen, erzeugt Gemeinschaft und sorgt für gute Stimmung. Catering-Anbieter setzen zunehmend auf regionaltypische Currywurst-Varianten, um Authentizität und Tradition zu betonen, gleichzeitig aber auch mit modernen Food-Trends zu verbinden.

Die Currywurst hat damit den Sprung vom einfachen Imbiss zum vielseitigen Kultur- und Genussobjekt geschafft, das in Berlin und ganz Deutschland gleichermaßen verehrt wird.

Fazit

Die Currywurst ist mehr als nur ein Imbiss – sie erzählt die Geschichte Berlins von Teilung, Wiedervereinigung und kultureller Vielfalt. Ob mit Darm oder ohne, als einfacher Straßenimbiss oder in edler Variante mit Blattgold und Champagner: Jede Form hat ihre eigene Geschichte, ihren besonderen Charme und vor allem ihren unverwechselbaren Geschmack. Die Currywurst ist ein faszinierendes Spiegelbild deutscher Geschichte, kulinarischer Identität und gesellschaftlicher Kultur – ein Symbol, das Menschen verbindet und Genuss auf vielfältige Weise erlebbar macht.

Oder lieber gekochte Knacker oder Bockwurst Wurst?

Bilder und Text: Klaus-Dieter Richter

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