Brandenburger Weintradition und der Kälteeinbruch

Weinanbau in Werder an der Havel hat eine lange Tradition und geht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Nach der politischen Wende übernahmen im Jahr 1996 die Familie Lindicke den bekannten Weinberg Wachtelberg von der Stadt Werder. 2012 pachteten sie einen weiteren Weinberg hinzu, den Galgenberg. Seit 2012 werden die Reben in der eigenen Kelterei verarbeitet und somit hat die klassische Weinkultur wieder festen Bestand in der Region.

Anfang Mai 2024 erörterte Frau Katharina Lindicke, das Problem der 3 Nachtfröste mit bis zu 7 Grad minus im März. Sie meinte, dass dieses sehr selten zu dieser Jahreszeit vorkäme. Alle Reben hatten, aufgrund des milden frühen Klimas, in diesem Jahr schon ausgetrieben. Normaler Weise treiben sie erst Ende April aus. In der Senke sind beim Müller-Thurgau sehr gravierende Frostschäden von 60 bis 70 % zu beklagen. Im oberen Bergbereich sieht es, nach Frau Lindicke, nicht ganz so schlimm aus aber es habe trotzdem so ziemlich alle Sorten getroffen unter anderem auch die widerstandsfähige Sorte Saphira. Ausfälle von 10% in der Senke werden oft verzeichnet aber diese Größenordnung sei in diesem Jahr schon etwas Besonderes. Sie hoffe, dass einige Trauben noch nachtreiben würden. Obstbauern haben auf Grund des Frosts, Feuer zwischen den Bäumen gemacht, um schlimmeres zu verhindern, dieses habe trotzdem nicht geholfen. Bei den eng angebauten Weinreben ginge dieses sowieso nicht.

Werder gehört zum Anbaugebiet Saale Unstrut. Dort sind Frostschäden von bis zu 100% zu beklagen, so Frau Lindicke. Schäden seien dort häufiger, obwohl diese Region südlicher liege aber nicht unbedingt in dieser Größenordnung zu verzeichnen. Der Werderaner Wachtelberg mit seinen Sandböden ist nicht Vergleichbar mit den charakteristischen Gesteinsböden der Saale Unstrut. Das vom Wasser umgebene Werder hat ein Mikroklima und beim Thema Frost eigentlich immer Glück gehabt. Somit sei Werder noch einiger Maßen glimpflich davongekommen, obwohl der große wirtschaftliche Einschnitt schmerzt, meint Frau Lindicke.

Die Weinanbaufläche in Brandenburg ist relativ klein im Vergleich zu den großen deutschen Weinregionen. Insgesamt umfasst die Anbaufläche etwa 30 Hektar, davon entfallen auf die Weinberge der Stadt Werder an der Havel zurzeit 10,4 Hektar. Trotz der geringen Größe hat der Weinanbau in Brandenburg eine wachsende Bedeutung, wobei sich die Winzer auf Qualität und die besondere Charakteristik der regionalen Weine konzentrieren. Die märkische Sonne lässt sehr gute Traubenqualitäten reifen, die daraus gekelterten Weine überzeugen bei den Weinproben, erlangen Preise bei Weinprämierungen und haben ihre Stammkundschaft unter den Genießern und Gastronomen gefunden.

Im Jahr 2021 konnten laut amtlicher Statistik auf dieser Rebfläche 1.726 Hektoliter Wein Most geerntet werden. Ein gutes Ergebnis mit einem Ertrag von 54,6 Hektolitern je Hektar. Im Jahr 2018 konnten knapp über 1.400 Hektoliter, 2017 rund 1.200 Hektoliter, 2016 rund 1.500 Hektoliter erreicht werden.

Müller-Thurgau ist die älteste Rebsorte, welche in Werder steht und habe durch den Bekanntheitsgrad, auch den größten Bestand. Seit 1999 wird die widerstandsfähige Rebsorte Saphira auf dem Wachtelberg angebaut. Sie entstammt einer Kreuzung von Arnsburger und Seyve Villard 1-72. Aufgrund ihrer Traubenqualität und Ertragssicherheit gilt diese Sorte als eine der besten Entdeckungen der letzten Jahre, erzählte Frau Lindicke. Sie zeichnet sich durch hohe Pilzresistenz gegen Peronospora (Falscher Mehltau) und eine mittlere Resistenz gegen Oidium (Echter Mehltau) auch Erysiphe necator genannt, aus. Als pilzwiderstandsfähige Rebsorte überzeugt sie nicht nur geschmacklich, sie ist auch für die Umwelt und den Winzer eine Wohltat, es werden wesentlich weniger Pflanzenschutzmittel benötigt.

Die faszinierende Geschichte vom Weinanbau in Werder an der Havel, beginnt nachweislich im Mittelalter. Die ersten dokumentierten Hinweise auf den Weinanbau in Werder stammen aus dem 12. Jahrhundert. Mönche des Klosters Lehnin sollen hier bereits Wein angebaut haben. Der Weinbau erlebte im 14. Jahrhundert einen Aufschwung. Zu dieser Zeit gab es in Werder bereits mehrere Weinberge. Während der Reformation im 16. Jahrhundert wurden viele kirchliche Ländereien säkularisiert. Dies führte dazu, dass Weinbauern in Werder mehr Land für den Anbau von Reben erhielten. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Region zu einem wichtigen Weinanbaugebiet in Brandenburg. Der Wein aus Werder wurde sogar am preußischen Königshof geschätzt. Im 18. Jahrhundert erreichte der Weinbau in Werder seinen Höhepunkt. Die Weinberge erstreckten sich über große Teile der Stadt, und der Weinhandel florierte. Mit dem Aufkommen von Kartoffeln im 19. Jahrhundert und anderer Nutzpflanzen wurden viele Weinberge umgewandelt. Der Weinbau erlebte einen Rückgang, jedoch blieben einige Weinberge erhalten. Trotz der Herausforderungen im 20. Jahrhundert, wie den Weltkriegen und den politischen Umwälzungen hat der Weinbau in Werder überlebt.

Ab 1985 wurde auf Initiative der damaligen Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft „GPG Obstproduktion Werder“ auf der traditionsreichen Fläche, dem Werderaner Wachtelberg, wieder Weinbau in einer Größe von 4,8 ha betrieben. Obwohl hier seit über 100 Jahren kein erwerbsmäßiger Weinbau mehr betrieben wurde, sind bei der Neuanlage dieses Weinbergs vereinzelt alte verwilderte Weinstöcke gefunden worden.

Weiter nördlich wird ebenfalls Weinanbau betrieben wie zum Beispiel in Mecklenburg, Dänemark, Schweden und anderen Regionen aber bei den für QbA registrierten Lagen ist für den Norden mit Werder an der Havel Schluss.

Zurzeit werden 10 Rebsorten auf dem Wachtel- und dem Galgenberg von der Familie Lindicke auf reinen Sandböden angebaut. Sie überzeugen durch eine feine, angenehme Säure mit frischen Fruchtaromen und sind ideale Speisenbegleiter. In der zum Weinberg gehörenden Straußwirtschaft Weintiene, bekommt man einen besonderen Eindruck von der nördlichen Wein Anbaugebiet Saale Unstrut und dessen besonderen Qualitätsweinen.

Teile diesen Beitrag